„Darmkrebsfrüherkennung rettet Leben!“

Prof. Dr. med. Jürgen F. Riemann, Vorstand der Stiftung LebensBlicke – Früherkennung Darmkrebs, im Interview

Vor rund zwanzig Jahren, also 1998, waren jährlich rund 70.000 Menschen von Darmkrebsneuerkrankungen betroffen – heute sind es nur noch ca. 59.000. An dieser sinkenden Zahl nicht unschuldig ist Herr Prof. Riemann, Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologe. Die erschreckend hohe Zahl nahm er vor zwei Jahrzehnten zum Anlass, die Stiftung LebensBlicke – Früherkennung Darmkrebs ins Leben zu rufen.
Seit 1998 setzt er sich als Gründungsmitglied und seit 2006 als Vorstand der Stiftung für die Darmkrebsvorsorgeuntersuchungen ein – denn die können Leben retten! 

Bauchmoment: 20 Jahre Stiftung Lebensblicke sind ein guter Grund zurückzublicken. Herr Prof. Riemann, welches waren Ihre Beweggründe zur Gründung dieser Stiftung?
Prof. Riemann: Vor zwanzig Jahren war die Zahl der jährlichen Darmkrebsneuerkrankungen mit über 70.000 erschreckend hoch. Mein persönliches Erlebnis: In meiner Sprechstunde haben sich immer wieder Menschen vorgestellt, die seit mehr oder weniger langer Zeit Blut im Stuhl hatten und nicht selten wegen eines Hämorrhoidalleidens behandelt wurden. Die Darmspiegelung ergab dann häufig nicht unerwartet den Befund eines Kolon- oder Rektumkarzinoms, also Krebs. Auch die sich verdichtenden Publikationen über die Adenom-Karzinom-Sequenz zur Entwicklung des Darmkrebses sowie die Langzeituntersuchungen über Erfolge des Stuhltests gaben Anlass zum Umdenken. Die Stiftungsgründung 1998 war daher eine logische Konsequenz der 1997 unter meiner Präsidentschaft angestoßenen Kampagne „Vorsorgeuntersuchung rettet Leben: Initiative gegen Dickdarmkrebs“ bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen in Ludwigshafen.

Bauchmoment: Welche der damaligen Ziele wurden in den letzten zwanzig Jahren erreicht?
Prof. Riemann: Die Einführung des Darmkrebspräventionsangebots der Krankenkassen mit Stuhltest und Darmspiegelung in 2002 war ein entscheidender Schritt in die richtige Richtung. 2013 wurde politisch das Krebsfrüherkennungsregistergesetz KFRG beschlossen. Es sieht vor, dass, wahrscheinlich ab 2018, jeder ab dem 50. Lebensjahr eine persönliche Einladung mit einheitlicher begleitender Information zur Darmkrebsvorsorge bekommt. Seit dem vergangenen Frühjahr haben immunologische Stuhltests den bisher üblichen Guajakharz-basierten Test abgelöst. Die neuen Tests sind sehr viel empfindlicher und lassen damit eine bessere Erkennung von Veränderungen im Dickdarm zu. Die Voraussetzungen für ein gutes Screening-Angebot sind geschaffen. Der Wermutstropfen: Die Inanspruchnahme lässt auch 2018 noch sehr zu wünschen übrig. Würde jeder Anspruchsberechtigte in Eigenverantwortung für sich die Vorsorge ernst nehmen, wäre das Problem gelöst! Weil das leider nicht so ist, sind Stiftungen wie LebensBlicke nach wie vor notwendig, um für Information über und Motivation zur Darmkrebsvorsorge zu sorgen.

ca. 25 % der Darmkrebsneuerkrankungen haben einen familiären Hintergrund

Bauchmoment: Warum ist der immunologische Stuhltest ein Meilenstein in der gesetzlichen Darmkrebsvorsorge ab 50 Jahren?
Prof. Riemann: Dieser neue Test ist deutlich empfindlicher und entdeckt daher Vorstufen von Darmkrebs und Krebs selbst viel besser. Er ist einfach zu handhaben; es bedarf nur eines einmaligen Tests und eine Diätvorschrift ist nicht mehr erforderlich. Die Auswertung erfolgt zentral über Labore. Qualitätsvorschriften sollen sicherstellen, dass der Test bundeseinheitlich ausgewertet wird. Qualitätsberichte ermöglichen endlich eine bundesweite Erfassung der relevanten Daten zur Darmkrebsvorsorge, die es zum alten Hämokkult-Test leider nie gegeben hat. Der bisherige Guajak-basierte Test sollte nicht mehr angewendet werden 

Bauchmoment: Lässt sich der Erfolg der Vorsorgedarmspiegelung der Krankenkassen belegen?
Prof. Riemann: Ganz klar! Die Darmkrebsfrüherkennung rettet Leben! Die Forschergruppe um Hermann Brenner vom Deutschen Krebsforschungszentrum DKFZ hat bereits vor zehn Jahren zeigen können, dass allein mit dieser Maßnahme ca. 200.000 Darmkrebsneuerkrankungen verhindert und ca. 40.000 Frühfälle mit sehr guten Heilungschancen entdeckt werden konnten. Männer sind nach wie vor häufiger und früher betroffen. Die Stiftung LebensBlicke fordert ja schon seit Langem einen früheren Zugang zur Darmkrebsvorsorge für Männer. Da kommt jetzt aufgrund der Zahlen endlich Bewegung hinein.

Bauchmoment: Spielt bei Darmkrebs eine familiäre Vorbelastung eine Rolle? Was müssen die Patienten besonders beachten? 
Prof. Riemann: Sechs von 100 Menschen erkranken im Laufe ihres Lebens an Darmkrebs. Etwa 25 Prozent der Darmkrebsneuerkrankungen haben einen familiären Hintergrund. Verwandte ersten Grades eines Betroffenen haben ein doppelt so hohes Risiko wie die Normalbevölkerung. Das Risiko erhöht sich weiter, wenn in der Familie mehr als eine Person betroffen ist. Familiär belastete Menschen sollten spätestens mit 45 Jahren eine Darmspiegelung machen lassen oder sich zumindest einem regelmäßigen FIT Test unterziehen. Alle Untersuchungen der letzten Jahre deuten darauf hin, dass mit dieser früher beginnenden Vorsorge vielen Risikopersonen Leid erspart werden kann. Die frühere Vorsorge von Menschen mit erhöhtem Darmkrebsrisiko hat längst Eingang in die Leitlinien der Fachgesellschaft gefunden und ist heute, was die Erstattung durch die Kostenträger angeht, auch kein Thema mehr.

Bauchmoment: Traditionell ist der März der Monat des Jahres, in dem besonders intensiv auf die Darmkrebsfrüherkennung aufmerksam gemacht wird. Wer ist der diesjährige Schirmherr des Darmkrebsmonats März?
Prof. Riemann: Wir haben den Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, gewinnen können. Er ist ein über die Parteigrenzen hinaus akzeptierter Landesvater, der sich überzeugend und persönlich für die Darmkrebsvorsorge einsetzt. 

Bauchmoment: Glauben Sie, dass wir den Darmkrebs in 20 Jahren, also im Jahr 2038 besiegt haben können und Ihre Stiftung dann noch erforderlich ist?
Prof. Riemann: So schnell wird das nicht gehen, da die Inanspruchnahme der Menschen wahrscheinlich auch durch das zukünftige Einladungsverfahren nicht dramatisch ansteigen wird. Prävention muss eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe werden; sonst laufen wir Gefahr, in 20 Jahren immer noch zu viel Neuerkrankungen erleben zu müssen. So lange wird eine Stiftungsarbeit, in welcher Form auch immer, hilfreich, wenn nicht sogar notwendig sein.

Professor Dr. med. Jürgen F. Riemann ist Gründer und Vorsitzender der Stiftung LebensBlicke – Früherkennung Darmkrebs, der Gastro-Liga sowie des Kuratoriums der Deutschen Krebsstiftung. Der Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologe absolvierte sein Studium an den Univer-sitäten Tübingen und Innsbruck. Von 1985 bis 2008 leitete er als Direktor die Medizinische Klinik C des Klinikums Ludwigshafen mit den Schwerpunkten Gastroenterologie, Gastroenterologische Onkologie, Hepatologie, Infektionskrankheiten, Diabetologie. Professor Dr. Riemann hat bisher zahlreiche Ehrungen erhalten und war und ist bei zahlreichen wissenschaftlichen Zeitschriften als Mitherausgeber bzw. Mitglied der Schriftleitung tätig. Er hat bisher mehr als 600 Vorträge gehalten und ca. 500 Publikationen veröffentlicht sowie zahlreiche Promotionen, Habilitationen und Fachärzte für innere Medizin, Gastroenterologen und Chefärzte betreut. 

Über die Stiftung Lebensblicke

Die Stiftung LebensBlicke – Früherkennung Darmkrebs wurde 1998 ins Leben gerufen. Sie ist die älteste Stiftung, die sich in Deutschland für die Aufklärung der Bevölkerung über die Darmkrebsvorsorge einsetzt. Aktivitäten der Stiftung (u.a.): 

  • Öffentlichkeitsarbeit in den Medien
  • Herausgabe von Publikationen 
  • Informationskampagnen 
  • Benefizveranstaltungen 
  • Unterstützung von Darmkrebsfrüherkennungsaktionen in Unternehmen und Organisationen 
  • Durchführung von Experten-Workshops, Seminaren, Symposien und Tagungen 
  • Verleihung des Darmkrebs-Präventionspreises gemeinsam mit der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Krebsstiftung 
  • VorsorgTheater „Alarm im Darm“ und „Mit Lust und Leidenschaft“ 
  • Mitarbeit in gesundheitspolitischen
  • Gremien in Bund, Ländern und Regionen


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