Zöliakie: Wenn Getreide zum Feind wird…

Eine Scheibe gesundes Vollkornbrot am Morgen kann doch unmöglich die Ursache für scheinbar unerklärliche Verdauungsstörungen, Bauchkrämpfe, Erbrechen und sogar Hautveränderungen sowie Kopfschmerzen sein – das meinen zumindest die meisten. Doch warum leiden dann rund 60.000 Deutsche – Schätzungen zufolge sogar 400.000, ohne es zu wissen – nach dem Verzehr von Getreide an Magen-Darm-Beschwerden?

Auslöser kann eine Unverträglichkeit von Gluten, einem Eiweißstoff, der in Getreide vorkommt, sein. Gluten ist ein sogenanntes Klebereiweiß – genauer gesagt, eine Mischung verschiedener Eiweiße, die als Getreidebestandteil in viele Nahrungsmittel gelangen kann. Vor allem Getreideprodukte wie Brot, Kuchen oder Kekse, aber auch viele Fertiggerichte oder sogar Medikamente können Gluten enthalten. Wer an einer Glutenunverträglichkeit (Zöliakie) leidet, muss also vor allem bei der Auswahl der Nahrungsmittel viel Sorgfalt aufwenden und beim Einkaufen genau hinsehen, denn Gluten steckt oft auch in Lebensmitteln, in denen man es gar nicht vermuten würde.

Was ist Zöliakie?

Zöliakie ist nicht, wie häufig angenommen, eine Allergie auf Gluten, sondern eine Autoimmunerkrankung, bei der das körpereigene Abwehrsystem – genau wie bei anderen Autoimmunerkrankungen wie Arthritis oder Schuppenflechte – irrtümlicherweise Organe des Körpers attackiert. Bei der Glutenunverträglichkeit stuft das Immunsystem Gluten als schädlich ein und bildet dagegen Antikörper, die dann die Schleimhaut angreifen, die den Dünndarm auskleidet und über die die Nährstoffe aus der Nahrung aufgenommen werden. Die Dünndarmschleimhaut ist mit sogenannten Zotten überzogen, winzigen fingerförmigen Ausstülpungen. Sie haben den Zweck, die Oberfläche des Dünndarms zu vergrößern, damit mehr Nährstoffe aufgenommen werden können. Bei länger bestehender, unbehandelter Glutenunverträglichkeit verkürzen sich die Dünndarmzotten, sodass es zu Mangelerscheinungen kommen kann.

Zöliakie Symptome: Depressionen und chronische Durchfälle können die Folge sein

Die Anzeichen für eine Glutenunverträglichkeit können sehr unterschiedlich sein. Ärzte bezeichnen sie deshalb gelegentlich auch als Chamäleon unter den Krankheiten. Bei Kindern können beispielsweise psychische Symptome wie Unausgeglichenheit, Stimmungsschwankungen und Unzufriedenheit oder ein verlangsamtes Wachstum auf die Störung von Darmfunktion und Wohlbefinden hinweisen. Gerade psychische Auffälligkeiten, die auf eine Glutenunverträglichkeit hinweisen können, werden leider oft nicht ernst genommen. Von Zöliakie betroffene Erwachsene können über häufigeKopfschmerzen oder Migräne, über Abgeschlagenheit, Schlafstörungen, depressive Stimmungen oder unerklärliche Gewichtsabnahme klagen. Alarmsignale sind häufigauftretende oder chronische Durchfälle, oft mit übel riechendem oder fettglänzendem Stuhl, Blähungen, Bauchschmerzen und Erbrechen.

Zöliakie Diagnose: Habe ich eine Glutenunverträglichkeit?

Zwar werden auch Zöliakie-Selbsttests über Apotheken, Drogerien oder das Internet vertrieben, doch der beste Weg, zu einer sicheren Diagnose zu gelangen, ist der Weg zum Magen-Darm-Arzt. Über einen Bluttest, bei dem nach charakteristischen Antikörpern gesucht wird, lässt sich in den meisten Fällen ermitteln, ob eine Glutenunverträglichkeit vorliegt oder nicht. Der Test schlägt jedoch nicht bei jedem Betroffenen an, sodass noch weitere Untersuchungen nötig werden können. So kann der Gastroenterologe eine Magen- und Dünndarmspiegelung mit einer Dünndarmgewebeentnahme (Dünndarmbiopsie) durchführen. Die Dünndarmbiopsie zeigt unter dem Mikroskop die Schrumpfung der Dünndarmzotten an.

Zöliakie sollte immer behandelt werden

Da die Glutenunverträglichkeit zu einer fortschreitenden Zerstörung der Darmschleimhaut führt und langfristig ein erhöhtes Krebsrisiko mit sich bringt, sollte immer eine Behandlung einsetzen, sobald die Diagnose gesichert ist. Geheilt werden kann die Zöliakie zwar derzeit noch nicht, doch durch eine Umstellung der Ernährung auf glutenfreie Kost kann sich die Antikörperbildung vollständig zurückbilden und die Dünndarmzotten erholen sich wieder. Dies verbessert das Beschwerdebild erheblich und stellt derzeit die einzige Möglichkeit dar, die Unverträglichkeit zu behandeln. Doch auch an einer medikamentösen Behandlung der Erkrankung wird intensiv geforscht.

© dariaustiugova / Fotolia

Diagnose Glutenunverträglichkeit: nicht verzweifeln!

Die Blutuntersuchung und eine Dünndarmbiopsie wurden gemacht und es gibt keinen Zweifel mehr: Die Diagnose lautet Zöliakie. Betroffene sollten nun jedoch nicht in Panik verfallen, denn mit der Unverträglichkeit kann man gut leben. Es gibt mittlerweile viele schmackhafte glutenfreie Produkte und auch Produkte, die natürlicherweise kein Gluten enthalten und somit gut vertragen werden. Betroffene sollten sich Zeit nehmen und ihre individuelle Reaktion auf die unterschiedlichen Lebensmittel, die Gluten enthalten, beobachten. Auf dieser Grundlage kann ein individueller Ernährungsplan erstellt werden.

Tipps für Betroffene von Zöliakie

Zum Experten werden

Wenn Sie oder ein Angehöriger die Diagnose Zöliakie bekommen, dann sind Sie zu Anfang natürlich erst einmal erschrocken. Sie werden viele Fragen haben, denn Ihr Arzt wird Ihnen bereits gesagt haben, dass Sie von nun an Ihre Ernährung um- stellen müssen. Was ist jetzt noch erlaubt und was nicht? Hier helfen vor allem fundierte, gesicherte Informationen. Diese können Sie beispielsweise in Büchern zumThema finden. Oder bei der Deutschen Zöliakie Gesellschaft (DZG), auf deren Onlinepräsenz Sie sich umfassend informieren können. Dort finden Sie auch Literaturhinweise zum Thema „Glutenunverträglichkeit“.

Gleichgesinnte treffen

Tauschen Sie sich mit Menschen aus, die Erfahrung im Umgang mit der Krankheit haben – Menschen, die entweder selber an Glutenunverträglichkeit leiden oder Angehörige mit Zöliakie haben, können Ihnen oft wertvolle Tipps geben. In vielen Städten gibt es Selbsthilfegruppen, deren Kontaktadressen Sie über das Internet oder über Ihre Krankenkasse erfahren können. Auch in den sozialen Netzwerken gibt es mittlerweile viele Plattformen und Gruppen, in denen man sich mit Betroffenen austauschen und von ihrem Wissen profitieren kann.

Ordnung schaffen

Nach der Diagnose heißt es erst einmal ausmisten. Lebensmittel, die Gluten enthalten, kommen nicht mehr infrage. Diese müssen aus den Vorratsschränken und dem Kühlschrank verbannt werden. Wenn allerdings in Ihrem Haushalt parallel mit und ohne Gluten gekocht wird, dann ist es wichtig, dass Sie darauf achten, dass es nicht zu Verunreinigungen kommt. Küchenutensilien und Arbeitsplatten sollten Sie deshalb gründlich reinigen, bevor Sie glutenfreie Produkte verwenden.

Auf verstecktes Gluten achten

Nicht nur in Gebäck und Backwarenfindet sich Gluten, sondern auch in vielen Fertiggerichten, Soßen und sogar in manchen Schokoladen. Viele Produkte enthalten etwa Stärke oder modifizierte Stärke und kommen damit bei Glutenunverträglichkeit nicht mehr infrage. Selbst in einigen Medikamenten finden sich Gluten. Eine Aufstellung glutenfreier Lebensmittel hilft hier enorm. Diese können Sie etwa von Ihrer Krankenkasse, Ihrem Arzt oder der Deutschen Zöliakie Gesellschaft erhalten. Sollten Sie regelmäßig Medikamente nehmen, ist es ratsam, mit Ihrem Arzt abzuklären, ob diese Gluten enthalten, und sich gegebenenfalls eine glutenfreie Alternative verschreiben zu lassen.

Glutenfreie Alternativen genießen

In Reformhäusern finden Sie vieleglutenfreie Lebensmittel. Doch auch
im Supermarkt gibt es inzwischen eine große Auswahl an Lebensmitteln, die kein Gluten enthalten. Diese können Sie durch eine spezielle Kennzeichnung erkennen. Zu den glutenfreien Lebensmitteln,
die bei Zöliakie gut vertragen werden, gehören Honig, Marmelade, Zucker, Reis, Hirse, Mais, Buchweizen, Naturcorn-flakes, unverarbeitetes und unpaniertesFleisch sowie Fisch, Margarine, Öle, Butter, Nüsse, Obst und Gemüse, Tee, Kaffee, Fruchtsäfte und Mineralwasser. Am besten ist es, wenn Sie beim Einkau- fen zur Sicherheit eine Liste glutenfreier Speisen mit sich führen.

Den Mangel ausgleichen

Achten Sie auf eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung. Viele Menschen, bei denen eine Glutenunverträglichkeit festgestellt wird, leiden infolge der Beschwerden unter Mangelerscheinungen. Nach der Ernährungsumstellung sollte sich dieser Zustand wieder verbessern. Sie können viel dazu beitragen, indem Sie auf eine nährstoffreiche und vielseitige Ernährung setzen. Dabei müssen Sie nicht einmal auf Brot und Gebäck oder sogar Pizza verzichten, denn im Handel werden inzwischen glutenfreie Backmischungen angeboten. Es gibt auch zahlreiche Kochbücher für Menschen mit Zöliakie auf dem Markt. Gerade Menschen, die aufgrund einer Glutenunverträglichkeit unter Erbrechen und Bauchschmerzen gelitten haben, müssen ihre Freude am Essen oft erst wiederentdecken. Auch hier helfen leckere und abwechslungsreiche Speisen.

Auswärts essen: Vorbereitung ist das A und O

Was ist, wenn Sie auswärts essen? Sollten Sie zu einem Essen bei Freunden oder Bekannten eingeladen sein, so erzählen Sie Ihnen vorab von Ihrer Unverträglichkeit. Im Idealfall werden sie Rücksicht nehmen und auch glutenfreie Speisen anbieten. Oder bieten Sie den Gastgebern an, auch einen Teil des Menüs vorzubereiten und mitzubringen – so können Sie gezielt auf glutenfreie Zutaten setzen. Vor einem Restaurantbesuch lohnt es sich, telefonisch abzuklären, ob glutenfreie Speisen angeboten werden.